Einhand-Segeln
Meine erste Solo-Erfahrung auf dem Meer
Berühmte Einhandsegler haben zu diesem Thema eigentlich schon alles gesagt und geschrieben.
Freilich machen dort draußen jede Seglerin und jeder Segler jeweils eigene, sehr persönliche Erfahrungen. Und weil ich es für hilfreich halte, möglichst viele Aspekte und die unterschiedlichsten Situationen kennenzulernen, habe ich einige meiner eigenen Single-hand-Erfahrungen aufgeschrieben.
Die grundlegenden Voraussetzungen für sicheres und erfolgreiches Segeln auf langen Strecken habe ich in drei Punkte eingedampft. Sie gelten freilich für jeden Skipper samt Crew auf hoher See:
1. Du solltest über eine stabile Gesundheit verfügen und körperlich und geistig fit sein.
2. Du musst dein Schiff kennen wie deinen Körper, denn es ist dein erweiterter Körper, mit dem du dich den Naturgewalten auf See stellst.
3. Du solltest mit dem Meer, seinen Gesetzen, mit dem Wetter und den Gestirnen vertraut sein.
Insoweit war ich eigentlich ganz ordentlich aufgestellt. Mit meinem Schiff hatte ich bereits an die 10.000 Seemeilen als Skipper mit wechselnder Crew zurückgelegt, ich fühlte mich körperlich fit und vertraut mit Meer, Wetter und Gestirnen. Aber als ich dann tatsächlich zu meiner ersten Einhandtour auf See aufbrechen musste, empfand ich das doch als tiefgehenden Einschnitt in meinem Seglerleben. In der Solopraxis sieht manches anders aus.
Zwar war ich oft mit Jollen einhand auf bayerischen Binnengewässern unterwegs gewesen. Von daher war ich es durchaus gewohnt, Entscheidungen ohne zweite Meinung zu treffen. War da ein Unterschied zu einer seegehenden Yacht? Nach 25 Jahren und rund 30.000 Charterseemeilen auf Mittelmeer, Ostsee und Atlantik wähnte ich mich ziemlich fit am Steuer von zehn bis vierzehn Meter langen Segelyachten.
Das galt dann auch recht zügig für die etwas über achtzehn Meter lange Stahlketsch DAISY. Aber auch mit ihr war ich nie allein unterwegs gewesen bis zum Januar 2008.
Zu viert an Bord hatten wir den Hafen Sans Souci in der Dominikanischen Republik erreicht. Dabei handelt es sich um den Seehafen von Santo Domingo, der Hauptstadt des Landes. Die dreiköpfige Crew, die mich von Antigua aus dahin begleitet hatte, war dort planmäßig von Bord gegangen und nach Deutschland, nachhause geflogen.
Kurz vorher hatte mich die Nachricht der Nachfolgecrew erreicht: Sie sei in Deutschland in einen Autounfall verwickelt und könne die Segelreise von Santo Domingo nach Montegobay auf Jamaika nicht mitmachen. Dort aber wollte der Voreigner mit seiner Crew das Schiff übernehmen für einen zweiwöchigen Karibiktörn.
Um nicht meinen gesamten Reiseplan für das Jahr durcheinander zu bringen, blieb mir nichts anderes übrig, als die rund 500 Seemeilen allein, einhand, zu bewältigen. Im Grunde meiner Seele faszinierte mich die Aussicht, mein Schiff endlich mal für mich ganz allein zu haben. Nicht nur in irgendeinem Hafen, nein draußen auf See. Gerlinde, ein Crewmitglied, ließ mir in Vorbereitung dessen einen kleinen elektronischen Wecker da. Ich hatte vor, mich alle 30 Minuten wecken zu lassen, sobald kein Land mehr in Sicht sein sollte. Das war die Zeitspanne, die ein Frachter brauchte, um vom Horizont in meine Nähe zu gelangen.
Mir steckten die Erlebnisse des letzten Monats in den Knochen. Der Raubüberfall in Chateaubelair in St. Vincent, bei dem ein Crewmitglied und ich ziemlich heftig verletzt wurden. Die Täter waren tagsdrauf gefasst worden, aber der Verband an meinem rechten Unterarm hielt die Erinnerung an die schrecklichen Momente doch sehr wach.
Und der nächtliche Angriff in San Pedro de Marconi unser zweiter Stopp in der Dominikanischen Republik erst vor ein paar Tagen. Drei Kerle versuchten meinen Außenborder vom Dinghi zu klauen, das auf dem Vorschiff stand. Den Tank dazu hatten sie schon von Bord geschafft, ehe Thomas sie entdeckte und Alarm schlug. Die Kerle verschwanden mit einem Schlauchboot in der karibischen Nacht unter Mitnahme von Kamera, Ladegerät und Telefon des Co-Skippers. Das Zeug hatten sie durch eine Decksluke auf der oberen Koje gegriffen.
Und nicht zuletzt die ernüchternde Ansage in der sehr schönen und gut geführten Marina Boca Chica, nur fünfzehn Seemeilen östlich von Santo Domingo. Der Wachmann an der Schranke der Marina erklärte uns, dass wir besser nicht am Strand entlang nach Osten wandern sollten, ansonsten... Seine Geste mit der flachen Hand quer zu seinem Kehlkopf passte irgendwie nicht zu dem weißen Strand und den wiegenden Palmen über dem dichten grünen Dschungel.
Nun also die Kapitale der Dominikanischen Republik.
Ich war davon ausgegangen, dass der Yachthafen von Santo Domingo ebenfalls unter dem Namen Sanssouci lief. Ich hatte die DAISY um die lange Mole herum gesteuert, die den Hafen gegen Südost vor der offenen Karibik schützt. Kaum hat man dort das grüne Feuer an steuerbord querab, befindet man sich in einer braunen Brühe, die der Fluss in die schöne blaue Karibik hinausdrückt.
Die Segel waren geborgen, die Fender hingen draußen, die Festmacher lagen bereit. Auf beiden Seiten des Fahrwassers waren Lastkähne und Kümos vertäut. Aber wo gab es hier einen Yachthafen?
Co-Skipper Thomas sah ihn zuerst. Klar, er hielt sich am Bug vorn auf, um den Anker vorzubereiten. Er konnte als erster hinter den mächtigen Wulstbug, des letzten Frachters oder Tankers an steuerbord schauen. Dort sprang das Ufer zurück und es öffnete sich eine kleine Bucht. Das Wasser erinnerte mich nun vollends an eine Art maritimer Müllhalde.
In dieser Brühe lagen dort drüben Segelyachten und Motorboote dicht gedrängt. Etwa dreißig Schiffe. Erster Eindruck: Kein Platz für die 4,75 m breite DAISY. Ich nahm die Fahrt raus und legte Ruder zu einer Kurve, der Ansatz zum Umkehren. Da rief Thomas: „Hey guck mal, da winkt einer“.
Ein Mann hatte sich an den Heckleinen einer Yacht zu schaffen gemacht und als ich mit der DAISY den Kreis vollendet hatte, war tatsächlich eine Lücke zu erkennen gewesen. Ein kleines Motorboot kam aus der Lücke, wurde offenbar verlegt. Der dunkelhäutige Typ winkte uns heran. Also machte Thomas den Anker klar und ich brachte die DAISY in Position, um die Lücke achteraus anzusteuern. Der Anker ging runter, DAISY quetschte sich zwischen zwei Segelyachten.
Der Typ grinste uns freundlich entgegen und nahm die Heckleinen an. Wir waren angekommen. Der Mann mit graumelierten Locken über dem dunklen Gesicht mag in den Fünfzigern gewesen sein. Er stellte sich als Palermo vor und begrüßte uns überschwänglich. Kommen wohl nicht so oft Gastyachten hier an. Er versicherte, jeden Service zu leisten, den wir benötigen sollten.
Da wäre Einiges. Die Crew wollte zum Flughafen gebracht werden, ich brauchte neben Proviant, frisches Wasser und ein paar hundert Liter Diesel. Zunächst begleitete mich Palermo hinauf ins kleine Hafenbüro.
Tatsächlich rollte tags drauf eine ziemlich mitgenommene dunkelblaue Toyota-Limousine auf die Pier. Palermo und drei Burschen stiegen aus. Sie wuchteten aus dem offenstehenden Kofferraum eine erste blaue Plastiktonne. 10 Gallonen Diesel seien da drin versicherte Palermo. Die Kerle schleppten die Tonne an Bord und leerten sie über einen saugenden Schlauch aus dem Bestand der DAISY durch meinen Filter in den Schiffstank. Es waren ein paar Fahrten zur nahen Tankstelle nötig, um den Tausend-Liter-Bunker aufzufüllen.
Palermo brachte die Crew zum Flughafen. Palermo fuhr mich zum Supermarkt. Er besorgte mir einen neuen Benzintank für den Außenborder des Dinghis. Den Hafen von San Pedro sollte man eher als puerto de ladrones bezeichnen, stellte er bei der Gelegenheit fest. Es war ein gutes Geschäft für ihn. Ich gönnte es ihm, er habe Familie hatte er mir treuherzig erzählt. Aber mitunter wurde er zu dreist.
Dazu kam die Situation in dieser Marina. Ein gefühlt drei Meter hoher, sehr stabiler Maschendrahtzaun mit Stacheldraht bewehrt, umgab das Gelände. Das Wachhäuschen an der Pforte war besetzt von vier mit Maschinenpistolen ausgerüsteten Soldaten oder Polizisten und nächtens wurde die gesamte Marina von einem guten Dutzend superhellen Scheinwerfern taghell erleuchtet. Dass die Bewaffnung nicht übertrieben war, konnte ich während der halben Woche meiner Anwesenheit diversen nächtlichen Schusswechseln entnehmen.
Und Santo Domingo erlebte ich als eine romantisch anmutende, historisch interessante, aber ziemlich kriminelle Stadt. Vor jedem Café und Restaurant wachte ein Polizist in Uniform. Der reichlich verdreckte Hafen Sans Souci in der Mündung dieses Flusses, den sie Rio Ozama nennen, hatte auch nicht besonders viel Anheimelndes.
Mittlerweile gibt es dort Muringbojen und die Anlage firmiert als Marina Bartolomé. Sie erinnert damit an den Bruder des ersten Europäers, der diese Insel betrat: Christoph Columbus. Er nannte sie Hispaniola, Kleinspanien und setzte seinen Bruder Bartolomé als Gouverneur ein. Der gründete droben auf dem westlichen Hochufer über dem Rio Ozama eine erste spanische Siedlung und weil sie an einem Sonntag dort gelandet waren, nannten sie diese Location Santo Domingo.
Nun wollte ich los. Es war Montag, der 14. Januar 2008 nachmittags. Ich hatte genug von den ziemlich offensiven Serviceangeboten dieses Palermo und überhaupt von der ganzen Situation hier.
Da war er schon wieder. Als ich entschlossen vom Internetcafé oben in der Neustadt zurück zum Schiff lief, hielt plötzlich der blaue Toyota neben mir. Palermo lud mich ein, mitzukommen. Ich eröffnete ihm meine Absicht, noch heute auszulaufen.
„Nesecitas un despacho!“ Okay. Um das Land mit dem Schiff zu verlassen, braucht man in der Karibik ein Despacho, ein Ausklarierungsdokument. Er fuhr mich zur Kaserne der Marine, der Marina de Guerra. Dort machte er dem diensthabenden Offizier klar, was der auf seiner Schreibmaschine zu tippen hatte und, dass dieses Despacho einen Preis habe. „Si“ bestätigte der Soldat und verlangte 500 Peseten. Das waren damals ungefähr 10 Euro.
Noch ein Besuch beim Hafemeister und meine Ausklarierung war perfekt.
Zurück an Bord war es kurz vor 17:00 Ortszeit, noch eine Stunde Tageslicht. Das Schiff war so weit klar, die letzten Handgriffe schnell erledigt: Letzten Proviant verstauen, Motoröl- und Kühlwasserkontrolle. Dann standen sie alle an Land: Palermo, seine Crew, der Hafenmeister, die Polizisten. Da kam noch einer, ein Mensch in Uniform. Er winkte und bedeutete mir, dass er an Bord kommen wollte. Ich sah Palermo an. Der nickte beschwichtigend.
Der junge Polizist kam an Bord. Er müsse das Schiff kontrollieren. Er lief unter Deck durch bis zur Vorpiek, sah in jede Kabine, öffnete ein paar Schapps. Desgleichen im Salon und im Achterschiff. Noch ein Blick in die Navigation, in den Kartenschrank, in die Elektrik, in den Kleiderschrank. Zurück an Deck. „Buen viaje!“ Er sprang wieder an Land. Mal ein behördlicher Besuch ohne Bettelei.
Maschine starten um 17:45. Der Ford-Lehmann-Sechszylinder im Schiffsbauch unter dem Mittelcockpit sprang sofort an. Wie immer. Brummte satt. Kühlwasser plätscherte. Ich dachte an den Dreck in diesem Hafenwasser. Nix wie weg, bevor das Kühlwasserfilter zusetzt.
Heckleinen einholen, langsam voraus durch Verstellen der drei Propellerflügel, DAISY zieht los, nimmt Fahrt auf. Auskuppeln, zum Bug gehen und mit der elektrischen Winsch die Kette aus dem vermüllten Wasser holen, darauf achten, dass sie glatt in den Kasten fällt. Wind gab‘s in dem tiefen Flusstal nicht, so wurde das Schiff nicht vertrieben.
Der große CQR kam aus dem Wasser. Reichlich verdreckt aber zum Putzen war jetzt keine Zeit. Über die Rolle ziehen, Anker sichern, Kette vom Anker abschäkeln und das Ende an den Deckel des Kettenrohrs angeschäkelt im Kettenkasten versenken.
Zurück ins Achtercockpit, einkuppeln, Fahrt aufnehmen, zurückwinken und hinter dem Bug des Frachters, der dort festgemacht war, nach backbord verschwinden.
Gegenüber lag ein riesiges Kreuzfahrtschiff, das nun an steuerbord blieb. Fender reinholen und mit den Festmachern verstauen. An der langen breiten Mole entlang nach Westen in die offene Karibik hinaus steuern. Genug Raum, um alles in ruhigem Wasser zu erledigen.
Zum Sonnenuntergang um 18:15 war ich auf See in der schwarzen Finsternis der Karibik. Die Hafenmole mit dem grünen Licht darauf lag schon fast eine Meile achteraus. Die schmale Sichel des zunehmenden Mondes hing backbord achteraus über dem Horizont. Durchatmen.
Ich sah mich um. Nein, auch kein anderes Schiff in der Nähe. Nur die paar Lichter der Küste. Niemand da zum Fragen, niemand, den irgendwas stören könnte. Das war neu. Ich musste und konnte nichts, was ich tat, mit oder gegen irgendjemanden abstimmen.
Seit elf Monaten lebte ich auf meinem Schiff, durchgehend. Davor hatte ich es schon von Dartmoor nach Inverness und von Miami nach Norfolk gesegelt, und nach dem Erwerb im März 2007 von Travemünde nach London, Dublin, Edinburgh, Narvik, Brest, Las Palmas, Trinidad und Martinique, immer mit Crew. Jetzt war ich allein. Der Ford-Lehmann-Sechszylinder brummte in Basslage, zuverlässig. Kühlwassertemperatur 80° C, normal.
DAISY begann, sich im Seegang zu wiegen, eine Dünung von etwa einem Meter. Es war eine Brise zu spüren aus Nordost. Mein Kurs musste nach Südwesten gehen. Sechsundsechzig nautische Meilen, 221°. Cabo Beata oder Isla Beata. Die Insel liegt südlich des Kaps. Dazwischen ist das Meer untief. Seichteste Stelle laut Karte 3,60 m, etwa eine Seemeile vom nördlichen Strand entfernt. Die DAISY ging 2,50 m tief, mindestens. Ein Plotter war nicht an Bord. Nur GPS, Echolot, Radar, Kompass, Autopilot, UKW-Funke und Seekarten. Ein eigener Schrank voll mit Seekarten.
Segel setzen.
Leider hatte ich es versäumt, die Persenning schon im Hafen runterzunehmen. Also musste das jetzt sein. Die DAISY war 4,75 m breit. Da ließ sich die Persenning bequem auf dem Seitendeck einrollen. Auch im Dunkeln. Niemand konnte jetzt auf mich aufpassen, das musste ich selbst tun. Also jeden Schritt, jeden Handgriff erst nach Sicherheitsaspekten überlegen. Das geht bald in Fleisch und Blut über. Nichts überstürzen.
Die Positionslichter waren an, der Sechszylinder lief ruhig, die Bugwelle rauschte im Takt der Wellen, kein Schiff in der Nähe. Die Persenning gefaltet, gerollt, verschnürt, zum Bug geschleppt, die große Luke auf, Persenning rein, Luke zu. Immer eingepickt in die Lifeline.
Am Großmast Großsegel klar machen zum Setzen: Zeisinge einsammeln, Großfall am Segelkopf anschäkeln. Zurück ins Steuercockpit. Schiff in den Wind drehen. Großschot fieren. Noch war ich in der weiten Bucht von Santo Domingo. Vor zum Großmast gehen und das Lattengroßsegel hochkurbeln. 20 m misst der Mast über Deck. Es hakt.
Irgendwas hakt. Das Groß will nicht weiter als ein paar Meter hoch. Läuft das Fall nicht? Klemmt ein Rutscher? Sind die Lazylines verdreht? Irgendwas ist immer. Ich brauche eine Lampe. Eine Lazyline hat sich quergelegt vor den Kopfrutscher und blockierte das Segel. Ich muss da hinauf, es klären. Wenn ich auf die Winsch steige, reicht das.
Ich muss mich auspicken und oben irgendwo einpicken. Ich nehm das Großfall. Mein Fuß auf der Winsch rutscht ab in einer Schaukelbewegung des Schiffes. Ich hänge am Großfall, pendle etwas vom Mast weg und wieder zurück. Der Fuß findet wieder die Winsch. Das war nicht gut, aber ich war wieder sicher. Ich erreiche die Lazyline. Der Rutscher ist frei. Runterklettern, auspicken, neu einpicken am Niederholer. Groß hochkurbeln. Es klappt. Nun ist das Segel schnell oben. Niederholer dicht setzen. Zurück ins Cockpit. Abfallen auf 210°.
Wir verlassen die Bucht und der Nordostpassat weht nun recht munter. Schaumkronen, weiße Gischt blitzen auf. Windanzeige gibt es nicht aber 20 kn werden es wohl sein. Segel weit fieren. Bullentalje setzen. Genuaholepunkt nach vorn, Schot auf die Winsch, Genuareffleine los, Genua ausrollen. Der Wind greift in das 100-Quadratmeter-Segel. Es geht los. Motor auskuppeln, Schraube in Segelstellung, Motor abstellen.
Je weiter aus der Bucht, umso heftiger wird der Wind. Mehr als 120° Windeinfall bringt‘s nicht bei gesetztem Groß. Aber eine Windanzeige gab es nicht, nur den beleuchteten Verklicker im Besantopp. Die Wellen werden höher und DAISY beginnt leicht zu geigen trotz klarer Druckseite. Vorn im Salon und in der Pantry scheppert und klirrt Einiges in den Schapps. Ich gehe hinunter, um das abzustellen. Danach rauscht DAISY nun ohne Nebengeräusche durch die Nacht.
Es ist nicht kalt, aber frischer als es vor vier Wochen unten zwischen Trinidad und Grenada war.
Der Kurs von 210° hält mich gut von der jetzt finsteren Küste Hispaniolas fern. Kann mit den sechs Knoten SOG so weiter laufen die nächsten zehn Stunden. Dann würde eine Halse fällig werden, falls ich die 2,8 nm breite Durchfahrt zwischen Kap und Insel nach Sonnenaufgang wagen sollte. Aber bis dahin werden nochmal drei oder vier Stunden vergehen.
Ich steige in die Navigation hinunter und zeichne den voraussichtlichen Halsepunkt in die Seekarte ein, die Positionsdaten notiere ich im Logbuch. Dann noch die Batteriespannung prüfen. Die zwei großen Servicebatterien sollten immer satt über 24,5 Volt liegen. Fallen sie darunter, muss der Generator gestartet werden, solange die Hauptmaschine nicht läuft. Für den Moment ist alles gut und ich begebe mich ins geschützte Mittelcockpit, stelle den Wecker und mache es mir auf den Polstern bequem.
Mein Dasein empfinde ich als ausgesprochen glücklich. Der Sternenhimmel über mir, das flotte Schiff, das Rauschen der Bugwelle, das Glucksen der Hecksee, es war perfekt. Nirgendwo anders in der Welt könnte ich sicherer sein. Das 30-Tonnen-Schiff zieht leicht geigend seine Bahn, die allein ich bestimme unter den Bedingungen, die der Wind vorgibt.
Das Neue dieser Situation erzeugte einen deutlichen Nervenkitzel. Allein auf dem Meer. Meilenweit keine andere Seele. Wie schön. Die erste Schlafphase stellte sich erst spät ein. Noch war es zu aufregend, dies zu erleben. Aber irgendwann pennt der Skipper weg. Und schon piept der Wecker.
Das war entschieden zu kurz. Rundumblick, zur Navigation runter, Kurskontrolle, Position feststellen, wieder an Deck Kontrolle der Segel. Wecker stellen, nochmal schlafen. Das geht so sechs bis achtmal, dann bin ich fast ausgeruht genug, um die Reise wach zu genießen. Aber nur fast.
15.01.2008. Um 00:15 wird einer Generatorstart erforderlich. Kühlschränke, Positionslampen und Autopilot saugen doch ganz ordentlich Strom. Drei Stunden später ist die Batteriebank wieder voll.
Irgendwann fällt mir am nordöstlichen Horizont ein helles Licht auf. Heller als Sterne. Knapp über dem vermuteten Horizont. Könnte ein Topplicht sein. Glas raus. Nix weiter zu erkennen. Ist aber auch wirklich finster. Nach der nächsten Schlafphase ist das Ding immer noch da. Offenbar nähergekommen. Was ist jetzt das?
Nach der folgenden Schlafphase leuchtet es immer noch, und noch höher, also näher?
Die größte Gefahr, die einem vergleichsweise kleinen Segelboot auf offener See droht, sind andere, große Fahrzeuge. Die Fixierung auf diese Gefahr regt natürlich die Fantasie an, was dazu führen kann, dass andere Möglichkeiten erstmal ausgeblendet werden. So ein Licht in Topphöhe, das näher zu kommen scheint, ist dazu gut geeignet. Die Fixierung blendet dabei auch Erfahrungswerte aus. So zum Beispiel den, dass ein großes Fahrzeug in der Regel noch andere Lichter führt.
Die Fixierung auf eine mögliche Gefahr, bricht erst zusammen als dem Skipper die Venus einfällt, der Morgenstern. Von wegen vertraut mit den Gestirnen! Es war die erste Nacht allein auf dem Meer.
Es dämmert nicht nur im Hirn des Skippers. Der östliche Horizont wird rosig sichtbar, Minuten später ist es taghell, die Sonne steigt über die Kimm, die Venus, nun hoch über dem Meer, verblasst.
Zeit für ein Frühstück. Runter in die Pantry, Teewasser aufsetzen, Pfanne auf den Herd, Öl rein, Ei rein, Schinken dazu, Brot schneiden. Es ist Routine. Das Schiff läuft immer noch sechs Knoten über Grund in die richtige Richtung. Gefrühstückt wird oben im Mittelcockpit. Der massive Teaktisch ist dafür präpariert.
Alles wieder weggeräumt. 13:00 In der Navigation den Standort überprüfen. Huch, wir sind schon da. Wir müssen nach Nordwesten, um die Enge zwischen Isla Beata und Cabo Beata zu treffen. Kurs 310°. Nein, wir brauchen schon 315°. Macht nichts, dann ergibt sich ein noch besserer Windeinfallswinkel.
An backbord, also nach Osten zu, glitzert das Meer blendend silbern, nach Süden und Westen strahlendes tiefes Blau, nach Norden wie gehämmert blaugrau mit weißen Krönchen, das Kielwasser zeichnet weiße Schaumstreifen ins tiefe Blau.
Ab ins Achtercockpit. Bullentalje abbauen, Großschot dichtholen, Kurbel der Genuaschot umsetzen nach backbord. Ruder legen. Das Boot geht mit dem Heck durch den Wind. Der Großbaum wird von der Schot mittig festgehalten, aber das Lattensegel flappt mit einem Rumms auf die andere Seite, die Genuaschot loswerfen, damit die Genua auf die Backbordseite geweht werden kann. Danach die Schoten fieren, bis die Segel ideal angeströmt werden.
Die DAISY rauscht nun nach Nordwesten. Jetzt ist steuerbord voraus Land zu sehen, die weiße Linie des Strandes und die dunkelgrünen sanft geschwungenen Hügel darüber und ebenso backbord voraus in der Ferne der dünne, dunkle Streifen am Horizont, die Isla Beata. Schnell wird dieser Streifen deutlicher, der Strand leuchtet hell, es zeichnen sich Palmen ab.
Die Tiefe nimmt dramatisch ab. Fühlt sich blöd an, mit einem Tiefgang von 2,50 m in Wasser mit weniger als zehn Meter Tiefe zu segeln. Klingt erst mal übertrieben. Aber wenn du die ganze Zeit ohne Echoanzeige unterwegs bist, weil das Wasser mehr als hundert Meter tief ist, und plötzlich ist das Land unter dir nur nach acht Meter entfernt, dann wirkt das alarmierend.
Die Karte weist dieses untiefe Gebiet aus. Es könnte gut gehen, aber ich umfahre es lieber. Zeit spielt keine Rolle. Es werden fünf Meter, vier Meter fünfzig. Ständig muss die Position ganz genau in der Karte verfolgt werden.
Ich sitze also in der Navigation vor dem GPS und führe die Position in der Karte nach. Von dort kann ich den Autopiloten im Cockpit draußen erreichen und damit das Schiff steuern. Aber wir segeln zu schnell, um rechtzeitig reagieren zu können. Also entscheide ich mich für Motorfahrt.
Maschine starten, rauss ins Cockpit. Genua wegrollen. Das Groß kann stehen bleiben. Mit langsamer Fahrt voraus zwischen Isla Beata und Hispaniola durchsteuern. Sicher: Die untiefste Stelle, die ich in der Karte auf meinem sehr breit gedachten Kurs finden konnte, weist 3,60 m aus. Und die umfahre ich. Wer weiß, ob die Karte wirklich stimmt? Es gibt Strömungen, die den Grund verändern können. Und wenn ich auflaufe, muss ich sehr schnell reagieren können.
Der Rumpf der DAISY ist aus fünf Millimeter starkem Stahl gebaut, der gemäßigte Kurzkiel an den Rumpf angeschweißt, also ein Teil mit ihm. Keine Bolzen, keine Klebenähte. Solche Stabilität macht Grundberührungen im Sand eher lästig als fatal. Grund genug, sie zu vermeiden.
Laut Echolot wird es nirgends weniger als vier Meter.
Das Wasser hat eine fantastische Farbe: Helles Blau, Türkis. Der Seegang geht zurück. Wir passieren das Kap, es bleibt an steuerbord. Der Wind streicht darüber aber das Meer beruhigt sich total. Eine kleine Windsee kräuselt die Oberfläche.
An backbord liegt das Nordkap der kleinen Isla Beata, der Insel der Glücklichen, schon fast achteraus. Palmen wiegen sich im Wind und weiter südlich sind flache Gebäude unter den wiegenden Palmkronen zu erkennen. Am Strand kann ich ein halbes Dutzend dieser typischen karibischen Kähne ausmachen, offene Fischerboote. Sie liegen zur Seite geneigt auf dem Trockenen.
Auf der anderen Seite, an steuerbord, erstreckt sich leerer weißer Sandstrand meilenweit nach Nordwesten und gleich dahinter dunkelgrünes, dichtes Gebüsch. Das zieht sich sanft ansteigend zu den Hügelkanten hinauf. Kein Haus, keine Menschenseele. Das Meer hell türkis, beinah goldfarben der Sandgrund mit Felsen. Fühlt sich so ein Paradies an?
DAISY läuft mit vier bis fünf Knoten über Grund nach Nordwesten. Das Kap weist immer mehr den Passat ab. Die Isla Beata wird achteraus kleiner, niedriger. Ich schau mich immer wieder fasziniert um. Was für ein fantastischer Ort. Fünf Meter Tiefe. Da ließe es sich doch hervorragend ankern und ausruhen. Fünf Meilen von der glücklichen Insel entfernt und eine Meile von Hispaniola in himmlischer Ruhe. Da vorne schwamm was im Wasser. DAISY lief im Abstand einiger Meter dran vorbei: Ein kleiner weißer Plastikkanister mit Leine dran. Vermutlich hing da eine Reuse dran. Dann ankern wir eben weiter westlich.
Also gut. 15:20 Schiff in den Wind gedreht, Fahrt weg, Großsegel runter, festbändseln, Fall abschäkeln und am Baum versorgen. Großschot dichtsetzen. 15:35 Anker an die Kette geschäkelt und runter mit dem Eisen. Der Wind vertreibt die DAISY. Dreißig, fünfunddreißig Meter Kette raus. Das Schiff legt sich in den Wind, treibt zurück, Kette wird steif, DAISY bleibt ruckartig stehen, läuft bisschen in den Wind, Kette fällt wieder senkrecht. Das Schiff rührt sich nicht mehr. Kettenentlastung einschäkeln, fertig. Position: 17°41 N, 71°29 W. Das waren 135,8 Seemeilen. Ensenada de los puercos, wird die Bucht genannt. Schweinebucht. Gibt es offenbar häufiger in der Gegend.
Man könnte was zum Beißen gebrauchen. Jedenfalls was zum Trinken. Maschine abstellen. Bei einem Bier entsteht eine nahrhafte Mahlzeit, bestehend aus Bratkartoffeln, Rindersteak und grünem Salat. Danach wird der PC im Salon an meinem Platz neben dem Bücherregal aufgeklappt. CD in den Player. Gibt es einen besseren Ort, um zu schreiben, zum leben?
So vergeht der Tag. Ein Dinner for one folgt zum Sonnenuntergang. Ein Glas Wein dazu und noch eines. Feierabend oben im Mittelcockpit. Es erlaubt einen Rundblick. Achteraus am Strand von Hispaniola glimmt ein Licht. Sieht nach Lagerfeuer aus, gut zwei Meilen entfernt. Mit dem Glas wird die Vermutung bestätigt. Vielleicht ein Fischer. Sonst ist kein Licht in der Runde zu erkennen. Nur hoch droben der bisschen fetter gewordene Mond. Und das Ankerlicht im Topp des Großmastes. Wobei…
Es kam der Gedanke auf, darauf zu verzichten. Verkehr wird es hier kaum geben so nah an dieser verlassenen Küste und bei diesen Untiefen. Andererseits könnte die weiße Lampe da oben Leute anlocken, auf deren Bekanntschaft man keinen gesteigerten Wert legt. Hm. Lassen wir es an. Die beiden Niedergänge sind verriegelt, alle Luken, bis auf die kleine in einer Kabine, verschlossen.
Die Nacht wird erholsam ruhig. Meine Koje befindet sich im Achterschiff gegenüber der Navigation. Sie ist über zwei Meter lang und mehr als einen Meter breit. Sehr gemütlich. Darüber eine weitere Koje, die als Stauraum für meine persönlichen Sachen dient.
Die Tür mit dem Rundbogen war aus massivem Mahagoni gearbeitet wie alle anderen sieben Türen im Schiff auch. Über dem halben Quadratmeter Stehfläche hat man eine Decksluke eingebaut. Die stand jetzt weit offen und die Sonne knallte in die Kabine. Sie erreichte freilich nicht den Schläfer in der unteren Koje. So wird der Dienstbeginn um 09:00 an diesem 16. Januar verpennt. Also Frühstück um 10:00 im Mittelcockpit.
Ein Außenbordmotor macht auf sich aufmerksam. Ich sehe aus Westen einen kleinen Kahn herankommen. Aha, die Leute vom Lagerfeuer. Ein schwarzer Mann mittleren Alters und ein ebenso kaffeefarbener Bub von vielleicht zwölf saßen darin. Das Boot steuerte auf den weißen Plastikkanister zu. Offenbar leerten sie die Reuse, jedenfalls tuckerten sie bald wieder zurück.
Ich wusch das Geschirr in der Pantry und hockte mich wieder an den PC. Die Stunden fliegen. 16:50 Plötzlich durchfährt mich ein fundamental erschütternder Schreck. Es kam von draußen. Ich hatte keinen Motor gehört. Nur jetzt diese Stimmen. Männerstimmen: „Hello, hola, hola!“
Ich springe ins Cockpit hinauf. An backbord liegt ein karibischer Kahn längsseits, fünf Männer stehen darin, einer am dicken Außenborder. Alle halten Waffen in den Händen, Schnellfeuergewehre. Das Outfit der Männer dient nicht meiner Beruhigung: Barfuß, löchrige Shorts, ausgeblichene Shirts, einer, der Größte, mit einer alten Armeejacke. Sonnengebleichte Baseballcaps beschatten die dunklen Gesichter.
Meine erste Reaktion: Weg hier, Motor an und weg. Der Außenborder war nicht zu hören gewesen. Vielleicht haben sie keinen Sprit mehr?
Ich stürze unter Deck ins Achterschiff zur Schalttafel. Der Ford springt sofort an. Ich renne nach vorn zum Anker. Sicherung weg, Kette holen. Ich schau zurück. Schon stehen zwei der Typen an Bord, der Dritte klettert gerade herauf. Okay. Dann ist es eben so. Ich lass den Anker drin und gehe zurück zum Achtercockpit.
Der Wortführer, der Große, steht am Seitendeck und grinst mich mit beschwichtigenden Handbewegungen an. „Marina de Guerra de Republica Dominicana. Tienes documentos?“
„What?“
Der neben ihm übersetzte: „Navy.“
Wenn das Soldaten sind, hat man ihnen vielleicht die Uniformen geklaut? Mein Spanisch ist leider ziemlich löchrig. „Documentos? Si uno momento.“
Ich steige den Niedergang hinunter, um die Papiere und meinen Paß zu holen. Der Boss und zwei seiner Kumpel folgten mir auf dem Fuß. Sie sahen sich im Salon um, machten große Augen.
„I am german, Alemania,“ bring ich heraus und reiche ihm die Schiffsregistrierung, meinen Pass, das Despacho. Während er die Dokumente durchsah, fragte er weiter: „Y los tripulantes?“
„What?“
„The crew?“ fragte ein anderer.
„I am by my self. Only me.“
„Solo tu?“ fragt der Chef und sah mich ebenso durchdringend wie ungläubig an.
„Yes, ähm si. Solo.“ Das war‘s dann, schießt es mir durch den Kopf. Keine Menschenseele hier draußen. Sie haben ein leeres Schiff gefunden. Das kommt schon mal vor…
“A donde vas?”
“What?”
“Where do travel to?”
“Oh, to Jamaika, Montego Bay.”
“A si. Jamaika. Muy lejo. Pero esta muy peligroso aqui. La frontera esta cerca de Haiti. Tienes un despacho. Entonces debes salir el país,” fuhr der Boss fort.
Ich verstand nicht so recht. Der andere griff wieder ein: „Dangerous here. Haiti you know. Is very close. Despacho, you have to leave the country.”
Leuchtet ein irgendwie. Aber dann ging‘s los.
„Tienes Whisky, Cognac, Ron?“ fragte der Boss während er mir die Dokumente zurückreichte.
„No no,“ ich schüttelte heftig den Kopf. „I dont have. Only beer or coke.“ Was Whisky betrifft, war das die pure Wahrheit. Ich bevorzuge Rum.
„Vale, cerveca,“ meinte der Boss. „Give us some beer“, übersetzte sein Kollege.
Ich ging an die Kühlbox in der Küchenzeile und kramte drei Bierdosen und eine Cola heraus. Sie nahmen die Dosen entzückt entgegen, vor allem, weil sie so kalt waren. Sie stiegen wieder an Deck hinauf und reichten den beiden anderen die kalten Dosen.
„Here too dangerous.“ Der Übersetzer nahm eine Dose, riss sie, wie die anderen auch, sogleich auf.
Der Boss entdeckte meinen Benzintank für das Dinghi. „Necesitamos dos galones Gasolina para volver a la Isla”.
“What?”
“Gasolin. Gasolina for the engine. We need.”
Wenn ich ihnen Benzin gebe, erschießen sie mich jedenfalls nicht gleich. Also sagte ich: „Of course, no problem“.
Ich stieg ins Achtercockpit, wo der Tank vor der Steuersäule seinen Platz hatte. Als ich dabei an einem der Typen näher vorbeikam, sah ich dessen Waffe genauer. Ich erkannte sie sofort. Ein G3! Genau die gleichen Knarren von Rheinmetall hatten wir bei der Bundeswehr. Nur, dass sich in dieser Waffe kein Magazin befand. Haben die gar keine Munition? Offenbar auch keinen Sprit mehr. Wirklich arme Teufel?
Ich stellte den Tank auf das Seitendeck. Der Typ neben dem Übersetzer sprang in den Kahn hinunter, holte einen Dreiviertel-Zoll-Schlauch aus einer Kiste, schraubte den Deckel ihres Benzintanks ab und reichte das Schlauchende seinem Kumpel an Bord der DAISY. Der steckte es in meinen Tank. Der Typ im Kahn saugte am Ende, bis Benzin floss. Das Ganze lief ziemlich routiniert.
Als mein Tank halbleer war, schritt ich ein.
„Stop. I need Gasolin too.“
Der Boss nickte. „Vale.“. Er nahm den Schlauch aus meinem Tank und reichte das Ende seinem Kollegen. „Ven a la isla. Esta mas seguro“, sagte er und deutete Richtung Isla Beata.
„What?“
„Come to the Island. Is more safe“, übersetzte sein Kollege.
Welche Erleichterung! Mein Leben sollte also noch etwas weitergehen. Sogleich stimmte ich zu: „Okay, okay! Isla Beata.“
Der Typ im Kahn verstaute seinen Schlauch und schraubte den Tank wieder zu. Auch ich brachte meinen Aussenbordertank an seinen Platz zurück. Der Sechszylinder im Bauch des Schiffes brummte immer noch in Basslage vor sich hin.
Die vier anderen sprangen nun auch in ihren Kahn. „Hasta luego!“ rief der Boss. Der Steuermann warf den Außenborder an und der Kahn tuckerte los.
17:20 Ich ging zum Anker nach vorne und holte ihn auf. Schade, wäre ein schöner Platz. Aber jetzt hielt mich hier nichts mehr. Kette verstauen, zurück ans Ruder, einkuppeln, Fahrt voraus nach Nordwesten. Von wegen zu der Insel! Das Bier kann ich auch selber saufen.
Nach zwei Meilen, drehte ich die DASY in den Wind, kurbelte das Besansegel hoch, fiel wieder ab und rollte die Genua aus. Der Wind fuhr hinein und DAISY zog los. Maschine aus. Autopilot an.
Die nächste karibische Nacht brach an. DAISY zog unter Besan und Genua mit guter Fahrt davon nach Westen. Haiti werde ich großräumig umfahren, das hatte ich mir längst vorgenommen. Die Bedürftigkeit dort soll enorm sein. Dies zu ändern, steht nicht in meiner Macht. Aber ich hatte es in der Hand, dem Risiko eines weiteren Überfalls aus dem Weg zu gehen. Deshalb beschloss ich jetzt, mindestens fünfzehn Meilen zwischen mir und diesem Chaosstaat Haiti zu lassen. Durfte auch bisschen mehr sein.
Also war ab sofort Kurs 270° angesagt. Damit käme ich mit fast zwanzig Seemeilen Abstand am Südkap Hispaniolas vorbei. Das bildet die Südküste einer zu Haiti zählenden Halbinsel mit dem Ozanana Beach, einer verlockenden Bucht. Jedenfalls nach Karteninterpretation.
DAISY rauschte in die Nacht. Sechs bis neun Knoten über Grund zeigt das GPS an. Die Außergewöhnlich Indviduelle Segelyacht, wie ich ihren Namen auslegte, war ein extrem starkes Schiff. Dennoch nahm ich nun einen Meter Genua weg, ohne dass sich an der Geschwindigkeit viel änderte.
Da würden die 175 Seemeilen haitianische Gewässer schnell durchpflügt sein. 20:55 Generator starten. Bei meinem Wachrundblick gegen 22:00 nahm ich einen ersten Frachter wahr. Der zog auf Ostkurs ein bis zwei Meilen südlich vorbei. Gleich danach kam noch einer in meinem Gesichtskreis mit gleichem Kurs Ost.
Der 17. Januar brach bei romantischem Mondschein an. 00:15 Generator aus. Ein weiterer Frachter folgte dem Kielwasser der beiden ersten. 02:00 270° liegen an.
Nach Tagesanbruch um 08:07 erschien ein dritter Frachter. Dank der Lichterführung ist der Kurs eines Frachters oder Tankers nachts viel besser einzuschätzen als tagsüber. Bei Tageslicht können die Aufbauten täuschen und falsche Perspektiven vorgaukeln. Dieser schien aber nun ohne Zweifel genau auf mich zu zielen. AIS gab es noch nicht an Bord der DAISY.
Das Automatische Identifikationssystem tauscht über UKW-Funk die GPS-Daten wie Position, Geschwindigkeit und Kurs unter den Teilnehmern aus. Praktische Sache. Heute fast selbstverständlich sogar für Yachten. Hatte DAISY nicht. Ich musste Speed und Kurs des Kahns selber schätzen. Der Peilkompass im Fernglas leistet da gute Dienste. Ich peilte das Schiff ein und musste feststellen, dass sich der Winkel auch nach fünf Minuten kein bisschen veränderte. Wir lagen auf Kollisionskurs.
Als Segelschiff habe ich auf dem offenen Meer Wegerecht und bin damit kurshaltepflichtig. Eigentlich logisch: Der andere muss sich ja meinem Kurs orientieren können, um auszuweichen. Erst, wenn es zu knapp wird und er nicht ausweicht, muss ich ausweichen, um zu überleben. Es wird spannend.
Der Peilwinkel änderte sich auch nach zehn Minuten nicht. Wenn sich der Peilwinkel nicht ändert, liegen wir auf Kollisionskurs. Ganz einfach. Ich konnte schon erkennen, dass diese Kiste ziemlich verrostet daherkam. Es wurde mir zu dicht. Wir lagen klar auf Kollisionskurs.
Die südliche Halbinsel Haitis hatte ich sowieso schon passiert. Ich konnte also nach Norden ausweichen, ohne dem Land zu nahe zu kommen. Der Wind wehte kräftig, 25 kn aus Ost, mindestens. In Böen sicher 30 kn. Also neuer Kurs 280°. DAISY rennt nun etwas höher und legt zu. Erreicht auch mal zehn Knoten SOG. Da müßte sich der Winkel zügig ändern. Tut er aber nicht. Der Typ da drüben hat offenbar auch den Kurs geändert. Nochmal fünf Grad höher. Der Frachter geht mit. Will der mich ärgern? Wo will der denn hin? Wir befinden uns rund zwanzig Meilen südlich von Haiti. An dieser Küste gibt es keinen großen Hafen. Warum verlässt der seinen Ostkurs?
Für den Fall, dass da Absicht dahintersteckte, fasste ich einen Plan: Dieser alte Kahn kann keine schnelle Kursänderung vornehmen, enge Kurven schafft der nicht. Die DAISY schon. Ich lass ihn herankommen und falle vor seinem Bug ruckartig um 25° ab.
Genauso passierte es. Als das Schiff nur noch weniger als eine Meile entfernt war und der Peilwinkel sich nicht änderte, fiel ich ab, fierte Genua und Besan. DAISY ließ den Rosteimer an steuerbord liegen und fegte mit Kurs 270° an ihm vorbei. Kaum war er steuerbord querab, luvte ich wieder an, nahm die Segel bisschen dichter und war wieder auf Kurs. Bald verschwand der Frachter achteraus hinter dem Horizont. Sehr sonderbar.
12:45 Der Windwinkel erfordert ein Anluven nach süd, neuer Kurs 260° Das nächste Etappenziel hieß nun Navassa. Ein winziges Eiland von fünfeinhalb Quadratkilometern, das in Tropfenform etwa dreißig Seemeilen westlich von Haiti liegt und nur rund 77 Meter aus dem Meer ragt. Es wird von Haiti und den USA beansprucht. Letztere haben die Insel Mitte des 19. Jahrhunderts annektiert, obwohl Haiti schon 1801 den Brocken zu seinem Staatsgebiet zählte. 1917 ließ die US-Coast-Guard darauf einen Leuchtturm errichten, um die Schifffahrt zwischen Panama-Kanal und Atlantik sicherer zu gestalten.
Die USA haben die Insel zu einem Nationalen Naturschutzgebiet erklärt. Betreten verboten. Wäre auch nicht sonderlich interessant. Laut Unterlagen gibt es kein Süßwasser dort, viele giftige Pflanzen und scharfkantiges Gestein. Also bleibt das Eiland in sicherer Entfernung an steuerbord, als DAISY in die nächste karibische Nacht segelt.
16:40 Generator starten. Zu weit nach Süden gekommen. Eine Halse wird nötig. Großschot dicht, Kurbel auf die andere Genuawinsch, Ruderlegen. Neuer Kurs 306° SOG fünf bis sechs Knoten. 17:20 Etmal-Zeit. 129 Nautische Meilen. 18:30 Generator aus.
Es handelte sich bei der nächsten um die Nacht zum 18. Januar 2008. Und das war mein 58. Geburtstag. DAISY rauschte nach wie vor mit fünf bis sechs Knoten nach Westen. Als ich gegen 03:00 auf der Position 18°10 N 074°35 W meinen Rundblick machte, fuhr mir ein Schreck in die Knochen. Ich war nicht mehr allein.
Dahinten im Achtercockpit hockte eine Gestalt. Sie hockte auf der Reling an steuerbord, genau dort, wo der Rettungsring mit Blitzlampe und Leine unter seiner gelben Persenning befestigt war. Gegen das im letzten Mondlicht glitzernde Meer hob sich diese Gestalt deutlich ab. Ich nahm einen Strahler zur Hand und leuchtete der Figur ins Gesicht.
Zwei große, blau und gelb umrandete Augen blickten mich geradewegs an und in der Mitte stach eine ziemlich große, gelbe Nase hervor. Ach nein, es war ein kräftiger langer Schnabel. Ein weißer, grau gesprenkelter Körper, dunkle Flügel. Ich knipste den Strahler gleich wieder aus. Man will ja nicht stören.
Der Besucher war gut einen halben Meter hoch. Und jetzt hob er die rechte Schwinge, fuhr mit dem Schnabel darunter und zupfte und zupfte an seinem Gefieder herum. Wir hatten achterlichen Wind und etliche flauschige Federn landeten im Cockpit. Danach verfuhr dieses wunderschöne Wesen mit dem anderen Flügel ebenso. Es hatte den Anschein, als suche der komische Vogel irgendwas in seinen Taschen, wollte schließlich nicht mit leerem Schnabel zu meinem Geburtstag an Bord gekommen sein. „Verstehe,“ sagte ich und „vielen Dank auch für den Besuch.“
Bei meiner nächsten Wachrunde hockte er noch immer dort und bei der übernächsten auch. Und als die Sonne achteraus über die Kimm stieg, schien er sich in ihren Strahlen zu wärmen. Erst als ich um 09:00 mein Frühstück im Mittelcockpit auftischte, breitete er plötzlich seine gewaltigen Schwingen aus, hob sich mit einem letzten Blick, was ich als freundliches Nicken interpretierte, fort in die Luft und verschwand nach Süden.
Ergriffen blieb ich zurück, begab mich ins Achtercockpit und sammelte den Federflaum ein, den mein Gast hinterlassen hatte. Was für ein Geschenk.
Mittags kam Jamaika in Sicht. Am südwestlichen Horizont stieg langsam, erst als dünner Strich in der Kimm, die dunkelgrüne Insel aus dem Meer. Ich rechnete mit einer Ankunft in Montegobay morgen in der Nacht. Aber ich hatte mit fünf Knoten Speed kalkuliert. DAISY lief meistens sechs und mehr.
Obwohl sich die Nordküste Jamaikas nach Westen immer weiter nach Norden zog, kam ich mit meinem Kurs von 306° der Küste kaum näher. Es galt auch hier der küstennahen Fischerei auszuweichen. Hatte es leider erlebt, dass die karibischen Fischer gern unbeleuchtet nachts unterwegs sind.
13:00 In der Kühlung fanden sich Lammkoteletts. Dazu gab’s würzige Bratkartoffeln und ein Bier. Wieder senkt sich eine Nacht über die Karibik. Der zunehmende Mond begleitet die DAISY. 22:30 Generator starten. Mein Wachrhythmus hatte sich längst eingespielt.
19.01.2008 00:20 Die Batterien waren wieder voll. Generator aus. 5,5 kn SOG, COG 279° Position 18°39 N 76°14 W. Ich befand mich ziemlich genau nördlich des Ostkaps von Jamaika. Als „Golden Grove“ wird die Gegend in der Karte bezeichnet. Jetzt brauchte ich nur noch rund zwei Drittel der Länge Jamaikas absegeln und schon sollte ich ankommen in Montegobay.
Der Tag brach an. 07:30 Generator starten. Nach wie vor segelte DAISY bei achterlichem Wind ihre fünf bis sechs Knoten. 10:00 Es taucht mal wieder ein anderes Schiff auf: Ich peile den mächtigen Schachteldampfer zum ersten Mal auf 130°. Das Containerschiff kommt aus Osten und läuft weit nördlich meines Kurses nach Westen. 10:15 Generator aus.
Ein Mittagessen wird gekocht, leider hat niemand aufgeschrieben, was es war. Das kommt wohl davon, dass ich zu schnell in unterschiedliche Rollen schlüpfe an Bord. Schließlich muss ich neben dem Skipper auch den Koch und den Mechaniker geben. Da fällt schon mal was unter den Tisch.
Die Insel wird immer größer. Sattgrüne Berge. Schon kann ich an der Küstenlinie ein paar Gebäude ausmachen. 16:00 Eine Halse wird erforderlich. Die Bucht von Montegobay liegt backbord querab, genau südlich vom Standort der DAISY, nur noch drei Meilen.
Ein Jet, ein Verkehrsflugzeug kommt im Sinkflug dort drüben schnell dem Land näher. Es überfliegt die Einfahrt in die Bucht und landet auf deren östlichem Ufer. Aha, da haben wir den Airport von Montegobay.
Nach der Halse geht es flott mit Kurs 180° direkt in die Hafenbucht. An steuerbord springt eine Halbinsel vor mit einem ziemlich umfänglichen Untiefengebiet davor. Maschine starten und Genua wegkurbeln.
In der Bucht zeigt sich gegenüber, auf der Südseite eine lange, große betonierte Pier. Weiter westlich davon ankern ein halbes Dutzend Yachten. Gegenüber der Pier an der Nordseite der Bucht entedeckte ich einen Steg, an dem in dichter Reihe Motoryachten und dazwischen ein paar Segelyachten festgemacht sind. Daneben ein paar Bungalows mit hübsch ausladenden flachen Satteldächern. Das muss er wohl sein, der Yachtclub von Montegobay.
Hier in der Bucht wehte es noch ganz heftig. Ich drehte in den Wind zum Bergen des Besansegels. Anschließend ging ich zum Bug und machte den Anker klar zum Fallen.
Zurück im Achtercockpit steuerte ich Langsam auf den Steg zu. Tatsächlich entdeckte ich eine Lücke. Wie praktisch. Ich brachte DAISY in Position, ging nach vorne, löste das Kettenrad und ließ den Anker runterrattern. Zurück am Ruder zielte ich auf die Lücke und das Schiff kam gut.
Aber nun erschien ein Mensch auf dem Steg. Untersetzt, schwarz, graumeliertes Kraushaar und winkte heftig und kreuzte die Arme. Der Typ wies mich ab. Er bedeutete mir, in der Bucht weiter nach Osten zu gehen und dort frei zu ankern. Der Typ hatte wohl die Authorität eines Hafenmeisters.
Schade. Hätte so schön gepasst. Also auskuppeln, nach vorne rennen, Anker aufholen, ans Ruder rennen, zu dem angegebenen Platz steuern, Anker fallen lassen. Maschine aus. Nun war die karibische Nacht da. DAISY lag hübsch im Wind. Position 18°27 N 77°56 W. Erst mal ein Bier.
Dann musste das Dinghi aufgebaut werden. Das Vordeck war dafür groß genug. Schlauchi aus der Persenning nehmen, vor den Großmast legen, ausrollen und aufpusten mit der Fußpumpe. Das ist eine Sache von rund acht Minuten. Paddel dranschrauben und das Ganze per Spifall zu Wasser lassen.
Man hätte auf den Motor verzichten können, aber angesichts der Strecke, die ich vom Land wieder zurück zum Schiff gegen den Wind zurückzulegen hätte, entschied ich doch, den 5-PS-Yamaha an das Schlauchboot zu schrauben.
Dokumente in den Rucksack, Geld, Taschenlampe, Telefon dazu und ab ins Dinghi. Der Motor sprang ohne zu zögern an. Die hundert Meter bis zum Dinghisteg waren schnell geschafft. Vorbei am Pool, der von einigen luftigen Pavillons aus flachen Sonnendächern umstanden ist, führt der Weg ins Clublokal.
Im gemütlichen Halbdunkel erkannte ich eine lange Theke mit schwarzem Keeper in weißem Hemd dahinter und sehr üppig ausgestatteter glitzernder Bar, links im Raum einige großzügige stylische Sitzgruppen. An der Bartheke hockten vier weiße Menschen, die sich alle dem Neuankömmling zuwandten.
Eine elegant vollschlanke Dame schien das Zentrum zu bilden. Ihre dunklen Locken flossen über ihre Schultern auf die lindgrüne Bluse und mit lächelnden Lippen und dunklen Augen strahlte sie mich sehr charmant an. Sie übernahm auch gleich die Begrüßung: „Wellcome to Montegobay! Where do you come from?“ Sie streckte mir ihre Rechte entgegen.
„Germany, but my last port was Santo Domingo.” Brachte ich heraus und ergriff ihre Hand.
„Oh fine. By your self?“
„Yes. I arrived this moment.“
„How exiting. My name is Evelyn“, sie ließ meine Hand los, da die drei Herren sich ebenfalls vorstellten und mich mit Handschlag begrüßten.
„My name is Hermann, nice to meet you!“
„Okay Hermann first a beer for you. Nice to have you in our club,” sagte Evelyn bestimmt.
Sie orderte eine erste Runde Bier und der Keeper begann sogleich die Gläser am Zapfhahn zu füllen.
Es wurde die herzlichste Aufnahme, die ich je in einem Hafen erleben durfte. Sie fragten nach Einzelheiten meiner Reise. Evelyn erzählte, sie sei bis vor kurzem Commodore des Montegobay Yachtclubs gewesen. Sie schien jedoch immer noch die Seele dieses offenbar ziemlich noblen Vereins zu sein.
Dann kam sie zu meiner Sache: „You need to check in in the country ,“ sagte sie nach dem das erste Bier geleert war. Sie nahm ihr Mobiltelefon, wählte eine Nummer und erklärte offenbar einem Menschen in einer Behörde, dass hier im Yachtclub ein Deutscher mit seinem Boot angekommen sei und die Einklarierungsprozedur benötige. Dann wandte sie sich wieder an mich: „You have your documents with you?“
Klar hatte ich die dabei. „Yes I do.“
„Then wait some minutes. The officers of imigration, police an Health-Authority will come here to complete all the papers.“
Sowas hatte ich auch noch nicht erlebt. Gerade in der Karibik, wo fast jede Insel ein eigenes Staatswesen bildet, musste man jeweils zu den Behörden laufen, um die Einklarierungsformalitäten zu erledigen. Hier kam die Behörde zu mir!
Tatsächlich trat nach einer halben Stunde eine junge schwarze Dame ins schummrige Licht dieser eleganten Bar und fragte nach dem deutschen Segler. Sie stellte sich als Mitarbeiterin der Imigration vor. Die Formalitäten waren schnell erledigt. Es erschienen danach ein Polizeibeamter und nach ihm ein Zivilist von der Gesundheitsbehörde. Jeder hatte ein paar Formulare auszufüllen mit meinen Angaben und schließlich fand sich in meinem Pass ein hübscher Einreisestempel.
Nun war ich auch amtlich angekommen in Jamaika.
Evelyn und ihre Freunde beendeten die letzte Runde Bier und verabschiedeten sich. Ich packte meinen Rucksack, ging zum Dinghi und fuhr zur DAISY hinaus.
Sie lag ruhig im hellen Mondlicht und im stetigen Passat. Die Ankerlaterne im Masttopp schwebte wie ein guter Stern über ihr. Ich kletterte an Deck und schlang die Dinghi-Leine um die Steuerbordklampe am Heck. In diesem Yachthafen fühlte ich mich ziemlich sicher. Ich hatte meine erste Einhand-Strecke geschafft.
Als ich am 20. Januar nach dem Frühstück wieder an Land gefahren war, um mich nach Einkaufsmöglichkeiten zu erkundigen, traf ich auf jenen Typen, der mir das Anlegen verwehrt hatte. Hinter dem leicht zerknitterten schwarzen Gesicht verbarg sich ein überaus herzliches Wesen: Mike, der Hafenmeister des Clubs.
„Welcome to Jamaica! Sorry, we had so strong winds in this moment yesterday! If you like to berth, you can do that here in front of this building. We give you assistance.“
„Thank you very much. Yes I will do that later on.“
(c) Copyright 2023 Hermann Engl
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